Sonntag, 25. November 2018

Umgang mit einer Fehlgeburt - auch für Außenstehende

 

Es ist ein Schock

Jeder Mensch reagiert anders! Viele brechen sofort in Tränen aus... ich war wie erstarrt. Ich hatte einen Schock! Aber jeder denkt wohl im ersten Augenblick das gleiche: „Das kann nicht sein! Es handelt sich um eine Fehldiagnose! Die Ärztin muss sich irren!“
Ohne auch nur eine Träne zu vergießen, saß ich da und hörte zu. Immer noch tapfer verließ ich die Praxis und fuhr nach Hause. Auf dem Weg trafen wir meinen Schwiegervater, der fragte, wie es UNS denn geht. Und ich meinte immer noch ohne Tränen: „Das Kind ist tot.“ Die Reaktion darauf war ebenso nüchtern wie ich. Eine kurze Schrecksekunde war bei ihm zu erkennen und das war es aber auch. Das war aber in dieser Sekunde auch nicht weiter schlimm, da ich erst einmal selbst realisieren musste, was eigentlich passiert ist.

Eine kleine Welt bricht zusammen!

Nach und nach benachrichtigen wir meine Eltern und meine engen Freunde. Diese zeigten natürlich sehr stark ihr Mitgefühl und dadurch brach dann auch alles aus mir heraus. Ich konnte nicht mehr aufhören zu weinen. Je mehr Mitgefühl ich gezeigt bekam, desto mehr musste ich weinen, da mir dadurch die Situation immer bewusster wurde. Eine kleine Welt brach zusammen! Alles was ich die letzten Wochen erlebt, gedacht, gefühlt, erträumt und geplant hatte, änderte sich innerhalb nur einer Sekunde! Natürlich ist das nicht das Ende der Welt! Doch muss man auch mit kleinen plötzlichen Veränderungen geistig erstmal fertig werden. Man wird gezwungen von jetzt auf gleich umzudenken, sich neu zu orientieren und nochmal bei 0 anzufangen. Das ist natürlich umso schlimmer, je länger es gedauert hat, um überhaupt schwanger zu werden.

"Du wirst schon noch irgendwann ein Kind bekommen"

Leider reagierte nicht jeder besonders einfühlsam. Es gibt für diesen Schmerz im Prinzip ja auch einfach keine tröstenden Worte. NICHTS kann eine Frau trösten, die ihr sehnlichst herbeigewünschtes Kind verloren hat. Kein: „Du wirst schon noch irgendwann ein Kind bekommen“ kein „Es ist gut, dass das Kind gegangen ist, sonst wäre es vielleicht behindert gewesen“ und auch kein "Ach das ist doch was ganz normales. Das erleben so viele." Das mag alles objektiv gesehen richtig sein, doch in diesem Augenblick ist der Schmerz so groß, dass alles ausschließlich nur subjektiv empfunden wird. Solche Sätze sind wenig aufbauend. Ganz im Gegenteil. Solche Sätze klingen dann eher wie „Hab dich halt nicht so und stell dich nicht so an“. Dabei wollte ich einfach nur verstanden werden! Und ich wollte mit meiner Traurigkeit akzeptiert werden. Doch stattdessen bekam ich vermittelt, dass ich nicht traurig sein darf. Und dann kam das große totschweigen. Es wurde so getan, als wenn niemals etwas passiert wäre. Das fand ich am allerschlimmsten!


Klarheit hilft allen weiter

Für Außenstehende ist es aber sicher gar nicht so einfach, mit so einer Situation umzugehen und die richtigen Worte zu finden. Vor allem wenn sie selbst so eine Situation noch nie erlebt haben. Jeder hat einen anderen Charakter und andere Bedürfnisse. Was für den Einen richtig ist, ist für den Anderen der falsche Weg.
Deshalb kann ich im Nachhinein sagen, dass es für alle Beteiligten am Besten ist, wenn die Bedürfnisse klar geäußert werden. Nur wenn die Betroffene den Außenstehenden erklärt, wie sie mit der Situation umgehen sollen, haben sie auch die Chance sich "richtig" zu verhalten!
  • darüber reden
  • schweigen, um keine Wunden mehr aufzureißen
  • ablenken 
  • normal weiter machen, als wäre nichts gewesen
  • ....
Außenstehende können die Betroffenen auch selbst danach fragen, wie sie sich verhalten sollen.

Darüber Reden

Da jeder Mensch anders ist, ist es schwierig allgemeingültige Tipps zu verteilen. Ich kann nur erzählen, was mir persönlich geholfen hat: In erster Linie musste ich reden! Ich hatte einen richtigen Drang dazu. Es tat mir unheimlich gut über alles sprechen zu können, was ich damals gefühlt habe. Und da so viele schweigen wollten und meine Eltern und meine Freundinnen für mich tatsächlich einfach nicht genug waren, sprach ich mit allen möglichen Leuten darüber. Menschen, die mir nicht sonderlich nahe standen, Menschen die mir sogar eigentlich ziemlich fremd waren, Menschen die gar nicht wussten, dass ich überhaupt schwanger war.... Aber ich musste einfach reden, um das Ganze verarbeiten zu können! Und das tat ich sehr lange. Auch noch Wochen nach der Geburt. Dadurch wurde das Kind zwar auch nicht wieder lebendig. Aber es tat einfach so gut, sich alles von der Seele reden zu können. Ich hatte absolut kein Problem damit, mit jedem Menschen darüber zu reden. Ich konnte vollkommen klar sprechen, ohne zwischenzeitlich zu weinen. Ich kann nicht verstehen, warum so viele Frauen verschweigen, dass sie eine Fehlgeburt hatten und alles mit sich selbst ausmachen. Es gibt im Leben nicht nur Höhepunkte, sondern auch mal Tiefschläge. Gilt man als schwach, wenn man anderen mitteilt, dass es einem gerade nicht gut geht? Dass etwas nicht so geklappt hat, wie man es geplant hat? Ist man ein Versager, weil man es körperlich nicht geschafft hat, das Kind am Leben zu erhalten? Ich kann aus meiner Erfahrung sagen, dass es nicht so ist. Man muss nicht immer nur nach außen stark sein, man darf auch über seine Probleme sprechen und Hilfe annehmen. Niemand ist vor Tiefschlägen sicher. Und wer weiß? Vielleicht hat jemand schonmal das selbe erlebt und kann einem tatsächlich durch seine damalige Erfahrung helfen. Vielleicht kommt die Person, mit der man gesprochen hat, selbst ein paar Jahre später in dieselbe Situation; diese weiß dann schon Bescheid und kann sich wiederum an uns wenden. Aber wenn niemand spricht und jeder schweigt, kann auch niemandem geholfen werden!

Das Kind loslassen

Meine Hebamme empfahl mir das Kind rituell zu verabschieden und loszulassen. Sie hatte Ideen wie etwa Teelichterschiffe in einen See setzen oder einen Luftballon steigen zu lassen. Eine schöne Idee ist auch eine Gedenkkerze brennen zu lassen.


In Erinnerung behalten

Geschehen ist Geschehen. Man war schwanger. Es war eine Zeit im Leben, in der man sich auf das Kind gefreut hat, eine Zeit in der man Verschiedenes erlebt hat. Man wird diese Zeit nie vergessen, auch wenn man später noch weitere Kinder bekommt. Die Erinnerungen aus dieser Zeit muss man deshalb nicht auslöschen, nur weil das Kind wieder gegangen ist. Man kann sie genau so wie Erinnerungen aus fröhlichen Zeiten in sein Fotoalbum kleben und schön verzieren. Eine weitere schöne Erinnerung ist ein symbolischer Anhänger, den man immer bei sich tragen kann z.B. ein Engelsflügel, ein Engel, ein Schmetterling oder ein Stern.




Keine Kommentare:

Kommentar veröffentlichen