Samstag, 24. November 2018

Erfahrungsbericht: Fehlgeburt / kleine Geburt ohne OP (13. SSW)

Nachdem Jahre vergangen sind, möchte ich gerne berichten, wie damals der Ablauf meiner Fehl-Geburt / kleinen Geburt war. Einige Frauen, die ebenfalls ihr Kind verloren haben, haben mich damals darauf angesprochen, wie ich damit umgegangen bin. Denn ich bin nicht den heute „normalen“ Weg über eine OP / Ausschabung gegangen. Viele Frauen wissen gar nicht, was passiert, wenn sie eine Fehlgeburt haben. Woher auch? Es wird in der Gesellschaft einfach nicht darüber gesprochen! Die meisten Frauen verheimlichen ihre Schwangerschaft sogar in den ersten Wochen, weil ja noch soooo viel passieren kann. Warum eigentlich??? Wenn niemand spricht und jeder schweigt, kann auch niemandem geholfen werden.
Wie es mir seelisch ergangen ist und was mir geholfen hat, damit fertig zu werden, könnt ihr hier nachlesen.

 

 

Muss man unbedingt operiert werden?

Ich wusste aus beruflicher Erfahrung bereits bevor ich schwanger wurde, wie der Werdegang in einem solchen Fall ist. Wenn eine Frau in Deutschland eine Fehlgeburt hat und der Arzt dies feststellt, wird sie sofort ins Krankenhaus geschickt zu einer Abrasio / Ausschabung (außer es handelt sich nur um eine fehlgeschlagene Einnistung, die einfach über die Periode abgeblutet wird). Dabei wird die Frau in Vollnarkose versetzt und die Gebärmutter „ausgeschabt“. Ein paar Minuten OP und das Baby ist weg, die Ärzte haben ihr Geld verdient...
All das durfte ich mir selbst im OP ansehen. Ich war bei einer Ausschabung live dabei. Und ich war zutiefst schockiert. Es war meine allererste Erfahrung im OP. Die Patientin wurde so grob, lieblos und unwürdig behandelt, dass es mir fast den Boden unter den Füßen wegzog. Mir war zwar durchaus bewusst, dass für die OP nur eine gewisse Zeit eingeplant war und die Patientin ohnehin nichts mitbekam, aber dennoch hätte ich nicht gewollt, dass man jemals so mit mir umgeht! Ich bin auch ein Mensch, der immer die Natürlichkeit hinterfragt. Wieso muss eine OP gemacht werden? Es ergab für mich keinen Sinn! Ein gesundes Kind holt man ja auch nicht standardmäßig über eine OP auf die Welt. Wieso sollte man es also bei einem sehr viel kleineren Kind tun? Diese Geburt ist doch viel leichter für den Körper! Wie hat die Menschheit nur über tausende von Jahre ohne OP bei einer Fehlgeburt überleben können? So informierte ich mich also bereits vor meiner Schwangerschaft, wie mit diesem Thema in anderen Ländern umgegangen wird und fand heraus, dass es nicht selbstverständlich ist, dass man in ein Krankenhaus geht, „nur“ weil man eine Fehlgeburt hatte...

Es ist ein Schock

Nun wurde ich also nach 11 Monaten des Wartens auf mein absolutes Wunschkind endlich schwanger! Die gesamte Schwangerschaft über war ich immer absolut positiv eingestellt. Ich freute mich unglaublich auf mein Kind und habe nie und zu keinem Zeitpunkt jemals darüber nachgedacht oder gezweifelt, dass ich dieses Kind evtl wieder verlieren könnte. Die äußere Welt war jedoch in dieser Phase sehr schwierig für mich. Ich bezeichne es heute als die dunkelste Zeit in meinem Leben. Beruflich war ich zum Zeitpunkt der Empfängnis und auch die Jahre zuvor extrem unglücklich, da ich dort psychisch sehr zu leiden hatte. Die Schwangerschaft stellte für mich zum Teil auch eine Art „Erlösung“ davon dar. Zu wissen, dass ich nur noch ein paar Monate aushalten müsste, war für mich wie ein Licht am Ende des Tunnels. Da der Arbeitgeber ja immer dafür sorgen muss, dass die Schwangere am Arbeitsplatz nicht gefährdet wird, gab ich sofort nach Bekanntwerden der Schwangerschaft Bescheid. So wurde mir körperlich gesehen die Arbeit zwar ab diesem Zeitpunkt erleichtert, doch psychisch ging der Terror dann erst so richtig los. Kaum ein Tag verging, an dem ich nicht geweint habe. Als ich dann in der 13. Schwangerschaftswoche war, ging ich zum Routineultraschall. Obwohl sich das Kind bisher immer gut entwickelt hatte und gewachsen ist, konnte sie nun keinen Herzschlag mehr feststellen.... Sie suchte und suchte und fand einfach nichts. Noch auf dem gynäkologischen Stuhl teilte sie mir mit, dass ich nun operiert werden müsste. Sofort klingelten meine Alarmglocken und ich rief auf der Stelle: „Nein! Das mache ich nicht! Ich werde das Kind auf natürliche Weise bekommen!“ Die Ärztin war nun natürlich verwundert, doch sie versuchte mich in keiner Sekunde vom Gegenteil zu überzeugen. Darüber war ich sehr froh. Sie erzählte mir ein bisschen darüber, doch was genau, weiß ich heute nicht mehr. Der Schock war einfach zu groß. Sie gab mir auch 1 oder 2 Tabletten mit, die ich wohl hätte nehmen können, um die Geburt einzuleiten. Ich weiß heute jedoch nicht mehr, was es für Tabletten waren, denn ich habe sie niemals eingenommen.

Es kann dauern...

Diese natürliche Geburt ließ ziemlich lange auf sich warten. Ich selbst bin heute jedoch froh darüber, dass es so lange gedauert hat, denn so hatte ich viel Zeit mich auf alles vorzubereiten. Aber niemand konnte mir sagen, wie nun eine Geburt von einem sehr kleinen toten Kind abläuft!!! Ich kontaktierte als erstes meine Hausgeburtshebamme, bei der ich eigentlich für die Geburt angemeldet war. Ich musste ihr ja nun mitteilen, dass sie den Termin anderweitig vergeben kann. Ich fragte sie dann, ob sie mir denn bei der Fehlgeburt beistehen könnte. Das wollte sie natürlich gerne tun, hatte nur selbst keinerlei Erfahrung damit. Sie gab mir die Telefonnummer einer anderen Hebamme, die mir weiterhelfen sollte. Diese rief ich an und führte ein sehr langes Gespräch mit ihr. Sie erzählte mir, dass in bestimmten anderen Ländern jeder sein totes Kind normal auf die Welt bringt und niemand dazu ins Krankenhaus geht. Nur in Deutschland wäre es eben nicht üblich. Sie gab mir allerlei Tipps zu wehenauslösenden Mitteln wie z.B. Wehentee und homöopatische Mittel. Aber auch sie konnte mir nicht so genau sagen, was bei einer natürlichen Fehlgeburt auf mich zukommt. Also versuchte ich stundenlang im Internet nach Erfahrungsberichten zu suchen. Ich fand keine. Wenn überhaupt, dann waren diese Kinder bereits sehr viel größer/älter, hatten den Neuralrohrdefekt, kamen also ohne Schädeldecke zur Welt o.ä. Ich las zumindest diese Geburtsberichte, die aber eben immer im Krankenhaus stattfanden und mir auch einen ziemlichen Schrecken einjagten. Ich hatte das Gefühl, das mir etwas ganz Schreckliches bevorstehen würde. Überall las ich "Blut", weshalb ich mir zur Vorbereitung Babywickelunterlagen und die dicksten Binden besorgt habe, die ich nur finden konnte. Ich malte mir schon aus, wie ich das Kind mit extrem viel Blut überall auf die Welt bringen würde und dass es einfach ganz schrecklich schmerzhaft werden würde. Tag für Tag verging und es tat sich einfach nichts. Ich bekam keine Wehen und es ging mir körperlich gut, als wenn nie etwas gewesen wäre. Also probierte ich es mit dem besagten Wehentee und erwartete, dass es promt los gehen würde. Doch es passierte weiterhin nichts. Tag für Tag trank ich Tee, nahm Globuli, dosierte sie immer höher... aber es passierte einfach nichts. Es konnte  kaum jemand verstehen, warum ich nicht ins Krankenhaus gegangen bin. Aber das wollte ich nicht. Ich hatte ja auch noch die Tabletten von der Frauenärztin, aber ich wollte sie nicht nehmen. Ich wollte, dass mein Körper es alleine regelt, genau so wie es natürlich vorgesehen ist. Ich wollte da einfach nicht eingreifen.

Die kleine Geburt / Alleingeburt

Ganze 20 Tage nach der Diagnose war es dann soweit. Mitten in der Nacht wachte ich auf, weil ich Wehen hatte. Ich weckte meinen Mann auf, um ihm zu sagen, dass es nun soweit ist. Doch wir konnten ja nichts tun. Ich hatte einfach Wehen mit Pausen dazwischen. Ich legte mich wieder flach und mein Mann streichelte mir den Rücken. Ich liebe es normalerweise, wenn er meinen Rücken streichelt. Normalerweise kann er das gerne den gesamten Tag lang machen, aber in dieser Situation war es mir extrem unangenehm. In den Wehenpausen ging es, aber sobald eine Wehe kam, konnte ich keine Berührung mehr ertragen. Deshalb bat ich ihn irgendwann aufzuhören und mir viel Platz für mich zu geben. Wir machten das Licht wieder aus, mein Mann sprach nicht mehr, sondern schlief irgendwann wieder ein. Und all das war genau das was ich brauchte. Ruhe, Platz um mich herum und Dunkelheit. Ich konnte mir nicht vorstellen, wie andere Frauen in dieser Situation nun aufstehen können und mit dem Auto in ein Krankenhaus fahren. Das erschien für mich vollkommen unmöglich. Ich war heilfroh, dass ich mit niemandem sprechen musste und einfach meine Ruhe hatte. Bei jeder Wehe wälzte ich mich im Bett umher, weil ich nicht wusste, wie ich sonst die Schmerzen hätte ertragen können. Aber irgendwann wurde ich so ruhig, dass ich in den Wehenpausen immer wieder eindöste und letztendlich die Wehen dann auch in meine Halbschlafträume miteinbaute. Als es morgens gegen 8 Uhr hell wurde, wachte ich wieder richtig auf und setzte mich im Bett auf. Kurz danach merkte ich, dass nun Blut kommen würde, so wie bei einer Periode. Mein Mann half mir aufzustehen und in der nächsten Sekunde rannte ich auch schon los auf die Toilette, weil das Blut tatsächlich schwallartig aus mir heraus schoss. Und da gab es für mich nur einen naheliegenden Gedanken, den ich so schnell realisieren konnte: Toilette. Als ich auf der Toilette saß, stürzte unglaublich viel Blut und Gewebe in die Toilette, dass ich es kaum fassen konnte. Ich fragte mich, wo denn nur so viel Blut plötzlich herkommen kann. Es waren aber wie gesagt auch Gewebestückchen, die ich in die Toilette klatschen hörte. Ich wusste nicht:... War da jetzt das Kind mit dabei? Hat es sich über die lange Zeit zersetzt und stürzte nun in kleinen Stückchen in die Toilette? Ich hatte keine Ahnung und mein Mann rief die Hebamme an, dass es nun soweit wäre. Die war aber zuerst gar nicht erreichbar und als sie dann zurückrief, meinte sie wohl, dass sie keine Zeit hätte. Somit war ich also zwangsläufig auf mich alleine gestellt. Da ich in der Vergangenheit oft Probleme damit hatte, in schwierigen Situationen ohnmächtig zu werden, legte ich mich auf den Badezimmerboden. Ich hatte einfach Angst, dass mir alles zu viel werden würde und ich mal wieder umkippen könnte. Am Boden gingen die Kontraktionen weiter und wurden immer schlimmer und schlimmer. Irgendwann hatte ich eigentlich gar keine Wehenpausen mehr und die Schmerzen waren so heftig, dass ich kaum noch wusste, was ich tun soll. Ich versuchte mich mit den Händen irgendwo festzuhalten, drehte mich ständig hin und her, schüttelte meinen Kopf vor lauter Schmerzen. Da mir leicht kalt wurde, schaltete ich den Heizlüfter ein, der direkt neben mir war. Der warme Wind tat mir unglaublich gut. Und da ich nun nicht stundenlang den Lüfter anhaben konnte, bekam ich einfach eine Bettflasche. Die Bettflasche auf meinem Bauch linderte wundersamerweise sofort die Schmerzen und es ging mir wieder besser. Heute weiß ich, dass es aus Hebammensicht ein Fehler war, die Bettflasche zu nehmen, da sie die Wehen bremste. Tatsächlich hatte ich ziemlich schnell gar keine Wehen mehr. In dieser Situation war ich natürlich froh darüber. Ich ging nochmal auf die Toilette, es kam nochmal etwas Blut. Aber ich war nach ca 8 Stunden Wehen so erschöpft, dass ich ins Bett gegangen bin und erstmal 2 Stunden geschlafen habe. Dann bin ich wieder auf die Toilette gegangen, es kam wieder etwas Blut. Aber das war dann alles eigentlich gar nicht mehr der Rede Wert. Es ging mir wieder bestens. Natürlich habe ich mich gefragt, ob das jetzt tatsächlich alles war. Ich bin einfach mal davon ausgegangen und war ziemlich erleichtert. Doch ein paar Stunden später merkte ich, dass etwas auf meinen Muttermund drückte. Aber das merkte ich eigentlich nur durch Zufall. Bei ganz bestimmten Bewegungen. Nicht unter Schmerzen. Ich hatte absolut keine Schmerzen mehr, es kam eigentlich auch kein Blut mehr. Ich wusste dann nicht so recht, was ich jetzt genau tun sollte. Ich war sehr unsicher. Ich spürte, dass ich das Kind rausdrücken sollte, aber ich hatte auch Angst davor. Mein Mann hielt meine Hände. In der Hockhaltung war die beste Position zum drücken. Zuerst versuchte ich es ganz vorsichtig und zaghaft, da ich einfach nicht wusste, was mich dann erwarten würde. Würde das Kind dann sofort rausplumpsen? Würde es weh tun? Aber es tat nicht weh. Ich spürte wie sich mit erhöhtem Druck der Muttermund immer weiter öffnete, bis das Kind letztendlich nach unten geschoben werden konnte. Vollkommen schmerzfrei. Es glitt die Vagina entlang und ich musste dazu all meine Kräfte aufbringen und es richtig nach unten pressen. Zeitweise hatte ich das Gefühl, dass ich es gar nicht schaffen würde, es herauszupressen. Es steckte richtig fest, vor allem am Ende, wo ich anscheinend weniger Muskeln zur Verfügung hatte. So hat es sich zumindest für mich angefühlt. Ja und dann war es da. Ich hatte es geschafft. Was für eine rießen Erleichterung. Ich war so froh, dass ich das Kind ganz ohne Schmerzen herausdrücken konnte. Es kam auch kein Blut mehr. Sicherlich hätte es anders sein sollen. Ich hätte wohl schon während der Wehen pressen sollen. Aber niemand hat mir gesagt, dass ich pressen soll und ich selbst hatte zu dem Zeitpunkt keinerlei Bedürfnis danach einfach so grundlos loszupressen. Letztendlich war ich überglücklich, dass es genau so gekommen ist, dass ich das Kind ganz genau erspüren konnte, frei von Schmerzen und ohne Blut. Anschließend kam noch tagelang etwas Blut nach, so wie bei einer abklingenden Regelblutung. Ich beobachtete meinen Zyklus, die Temperatur (NFP) und sah, dass ich genau 2 Wochen später wieder einen Eisprung hatte. Und weitere 2 Wochen später hatte ich wieder eine ganz normale Regelblutung. Alles lief ganz normal weiter, ich hatte ganz normale Zyklen, nichts kam in seinem Rhythmus durcheinander. Der Kontrollultraschall beim Frauenarzt ergab keinen Befund, alles ganz normal, als wenn niemals etwas geschehen wäre... die Natur hat alles von selbst geregelt.



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